Diagnose einer akuten Neuroborreliose
Seit 2005 gilt das chemotaktische Zytokin (Chemokin) CXCL13 als vielversprechender Kandidat, um als neuer diagnostischer Biomarker für die akute Neuroborreliose zu fungieren [1, 2]. Die Neuroborreliose ist eine schwere Erscheinungsform der Lyme-Borreliose, die von Spirochäten (Borrelia burgdorferi sensu lato) ausgelöst wird. Die Ansteckung erfolgt in den meisten Fällen über einen Zeckenstich – eine Infektionsgefahr besteht daher vor allem in der nördlichen Hemisphäre. Symptome der Neuroborreliose umfassen Entzündungsreaktionen des Zentralen Nervensystems sowie Entzündungen der peripheren Nerven und Nervenwurzeln (Meningoradikuloneuritis, zum Teil mit Paresen der Hirnnerven).
Nach europäischen Richtlinien ist für die Diagnose einer akuten Neuroborreliose, neben der typischen neurologischen Symptomatik und einer erhöhten Zellzahl (Pleozytose) in der Cerebrospinalflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis), der Nachweis einer intrathekalen Synthese von Anti-Borrelien Antikörpern im Liquor notwendig [3]. Jedoch sind insbesondere in der Frühphase der Infektion in bis zu 20 Prozent der Fälle keine erhöhten borrelienspezifischen Antikörperindices zu erkennen [4, 5]. Die Konzentration des Chemokins CXCL13 hingegen war in verschiedenen Untersuchungen im Liquor von Patienten mit akuter Neuroborreliose bereits in der initialen Infektionsphase deutlich erhöht, selbst wenn eine intrathekale Antikörpersynthese (noch) nicht nachweisbar war [1, 5, 6].
Das Chemokin CXCL13 – ein neuer Biomarker
CXCL13 wird von Monozyten und dendritischen Zellen sezerniert, die über den Toll-like Rezeptor 2 mit Lipoproteinen der bakteriellen Plasmamembran in Kontakt kommen. Der Botenstoff zieht B-Zellen an, die in den Liquor einwandern und dort als Plasmazellen spezifische Anti-Borrelien Antikörper produzieren. Der Konzentrationsanstieg des Chemokins geht der intrathekalen Antikörpersynthese somit zeitlich voraus und ist entsprechend früher sensitiv nachweisbar [5, 8].
Eine Antibiotika-Therapie von Patienten mit akuter Neuroborreliose führte in einer weiteren Studie zu einem schnellen Absinken der Konzentration des Chemokins CXCL13. Der borrelienspezifische Antikörperindex zeigte in den Patienten keine vergleichbare Reaktion auf die Behandlung [9]. Spezifische Anti-Borrelien Antikörper können auch nach einer erfolgreichen Therapie noch nach Jahren im Liquor oder im Serum nachgewiesen werden. CXCL13 eignet sich deshalb – anders als der Antikörperindex – nicht nur als Biomarker, sondern auch als Therapiemarker während der Behandlung der Neuroborreliose [10]. Ein CXCL13-ELISA zum qualitativen und quantitativen Nachweis des Chemokins CXCL13 ist bereits CE-registriert und kommerziell erhältlich.
Für die Diagnose einer akuten Neuroborreliose müssen grundsätzlich die Symptomatik und zusätzliche klinische Liquorbefunde berücksichtigt werden, da die CXCL13-Konzentration auch bei anderen entzündlichen Infektionen des Zentralen Nervensystems (zum Beispiel ZNS-Lymphomen, HIV-Meningitis, Streptokokken-Infektion, Toxoplasmose, Multiple Sklerose) erhöht sein kann.
[1] Rupprecht et al., 2005 Neurology [2] Narayan et al., 2005 Ann Neurol [3] Mygland et al., 2010 Eur J Neurol [4] Borde et al., 2012 BMC Inf Dis [5] Schmidt et al., 2011 Neurology [6] Rupprecht et al., 2006 Nervenarzt [7] Rupprecht et al., 2009 J Neuroinflam [8] Rupprecht et al., 2008 Mol Med [9] Senel et al., 2010 J Neurol Neurosurg Psychiatry [10] Rupprecht et al., 2014 Nervenarzt