Wie Sherlock Holmes

Gastbeitrag:

Dritter Beitrag der Artikelreihe:
Moderne Mykologie in der Dermatologie

von Herrn Prof. Hans-Jürgen Tietz, Leiter des Instituts für Pilzkrankheiten, Berlin

Die wunderbare Stadt Edinburgh hat gleich mehreren Romanciers zu Werken der Weltliteratur inspiriert: Joanne K. Rowling („Harry Potter“), Robert Louis Stevenson („Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“) und den Arzt Arthur Conan Doyle zur Figur des Sherlock Holmes. Als ein solcher kam ich mir nach Einführung der PCR in unserem Praxislabor vor. Wie ein Meisterdetektiv, der sogar die kniffligsten Fälle schnell und elegant aufklären kann. Nichts war unmöglich, jedes Rätsel scheint lösbar: Ob bei der Onychomykose, einer Tinea capitis unter Therapie, bei einem schwierigen Keim im Ringversuch, einer C. albicans aus einer in Formaldehyd eingelegten Hormonspirale oder dem Nachweis eines S. brevicaulis im Fläschlein einer Nageltinktur.

Besonders beeindruckend waren zwei Kriminalfälle.

Abb. 1: Nachweis von T. rubrum mittels EUROArray Dermatomycosis

Der erste betraf die Frage, ob es möglich sei, mit Hilfe der PCR den Erreger in einem Paraffin- Block zu identifizieren. Das mitgesandte PAS- Präparat war traumhaft positiv (s. Titelbild), der Erreger jedoch auf Speziesniveau nicht identifizierbar, eine diagnostische Grenze der Histologie. Klinisch handelte es sich um eine seit Jahrzehnten bestehende und gegenüber Terbinafin therapierefraktäre Tinea corporis generalisata. Die PCR aus dem Paraffin-Block ergab T. rubrum (s. Abb. 1). Die nachfolgende klinische Vorstellung des Patienten bestätigte den Verdacht: Es handelte sich um ein T.-rubrum-Syndrom.

Eine besonders schwer nachweisbare Mykose ist auch die Candida-Mastitis. Da sich der Erreger aus Muttermilch kaum züchten lässt, gehört sie zu den am meisten unterdiagnostizierten Mykosen. Dies ist umso brisanter, da eine solch gravierende Infektion stets systemisch behandelt werden muss und aufgrund des steigenden Interesses am Stillen ein wieder häufigeres infektiologisches Problem wird. C. albicans siedelt bereits am dritten Tag nach Stillbeginn an der Brust von 6,5% der Mütter.

Abb. 2: Infizierte Brust mit Muttermilch (links), Nachweis von C. albicans mithilfe des PCR-basierten EUROArray Dermatomycosis innerhalb von 48 Stunden (rechts).

Unsere Patientin klagte über einschießende, kreisförmig ausstrahlende Schmerzen. Charakteristisch war ein weißer Punkt auf der Brustwarze und der bläschenartige Ausfluss, der von der CO2–Bildung des Erregers, ebenso aber von bakteriellen Keimen hätte stammen können. Pilzkulturen sind zudem, wenn überhaupt, nur mit Hilfe von Zusatzstoffen wie Eisensulfat, die das hemmende Laktoferrin der Muttermilch neutralisieren, positiv.

Solche Hindernisse kennt die PCR nicht. Das Ergebnis stand am nächsten Tag fest: C. albicans (s. Abb. 2).

Die Therapie mit Fluconazol 200mg führte nach 5 Tagen zum Heilerfolg. Vorsorglich folgte eine Erhaltungstherapie mit 200mg/Woche über 2 Monate. Da der voll gestillte Säugling nur etwa 15% der mütterlich verabreichten Dosis Fluconazol aufnimmt, erfolgte beim Kind eine gleichzeitige lokale Therapie des Mundes, die wichtigste Quelle einer Mastitis, auch wenn beim Kind keine Symptome vorliegen. Mutter und Kind sind seitdem wohlauf.

Sir Arthur Ignatius Conan Doyle M.D. alias Sherlock Holmes wäre vom genetischen Fingerabdruck und den vielseitigen kriminalistischen Möglichkeiten der PCR begeistert gewesen. Als Arzt ebenso von den sich daraus ergebenden schnellen und zielgerichteten Mykose-Therapien.

 

Die Artikel in der Rubrik „Gastbeiträge“ geben die Meinung ihrer Autoren wieder. Die inhaltliche und rechtliche Verantwortung liegt allein bei den Autoren. EUROIMMUN übernimmt weder eine Garantie für die Richtigkeit und die Vollständigkeit der Angaben, noch für deren Aktualität.

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