A, B, C, D, E, K… Das sind die Bezeichnungen der Vitamine, die als essenziell für den Menschen gelten. Sie müssen dem Körper in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen, damit lebenswichtige Funktionen aufrechterhalten werden können. Einem dieser Vitamine wird seit einigen Jahren eine besonders große Aufmerksamkeit seitens der Wissenschaft zuteil: dem Vitamin D.
Ein Erwachsener benötigt nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung etwa 20 µg Vitamin D pro Tag. Dieser Bedarf kann, im Gegensatz zu dem anderer Vitamine, nur zu etwa 10 Prozent durch eine Aufnahme über die Nahrung gedeckt werden (besonders aus fettreichen Fischarten und Leber). Bis zu 90 Prozent des benötigten Vitamin D werden normalerweise vom Körper hergestellt. Trotzdem hat sich Vitamin-D-Mangel zu einem regelrechten Volksleiden entwickelt. Über 40 Prozent der Menschen in Deutschland, unabhängig von Geschlecht und Alter (3 bis 79 Jahre), sind unzureichend mit Vitamin D versorgt.
Aber wo liegt das Problem? Die Vorstufe des Vitamin D, das Provitamin 7-Dehydrocholesterol, wird im Körper hergestellt. Durch die UVB-Strahlen der Sonne wird 7-Dehydrocholesterol in der Haut zu Vitamin D umgewandelt. Die individuelle Menge an produziertem Vitamin D wird dabei unter anderem von der Größe der bestrahlten Hautfläche, dem Alter und der Hautpigmentierung der Person sowie äußeren Faktoren wie dem Sonnenstand beeinflusst. Doch Sonnenlicht ist in Deutschland besonders im Winter Mangelware. Zusammen mit langer Kleidung in kalten Jahreszeiten und der Verbannung der Sonne aus dem Alltag (Denn mal ehrlich, wie viel Zeit verbringen die meisten Erwachsenen in Deutschland an einem gewöhnlichen Wochentag außerhalb des Hauses oder des Büros?) führt dies zu einer großen Anzahl Vitamin-D-unterversorgter Menschen.
Syntheseweg des Vitamin D
Unabhängig davon, ob Vitamin D im eigenen Körper produziert oder über die Nahrung aufgenommen wurde, ist es erst einmal biologisch inaktiv. In zwei Stufen wird es in die aktive Form, das Hormon Calcitriol, umgewandelt: In der Leber wird Vitamin D zunächst zur Speicherform 25-OH-Vitamin D verarbeitet. Das 25-OH-Vitamin D gelangt dann über den Blutkreislauf zu den Zielorganen, die daraus das biologisch aktive Calcitriol bilden. Der wichtigste Syntheseort ist die Niere. Während Vitamin D und Calcitriol nur eine geringe Halbwertszeit haben, ist die 25-OH-Vitamin-D-Konzentration im Blut über einen längeren Zeitraum konstant messbar. Entsprechend wird diese in der Regel auch zur Bestimmung des Vitamin-D-Spiegels herangezogen.
Funktionen des aktiven Vitamin D
In den Zellen der Zielorgane bindet Calcitriol an intrazelluläre Vitamin-D-Rezeptoren (VDR). Die gebildeten Komplexe binden an die DNA im Zellkern und beeinflussen die Expression von etwa 900 Genen. Welche Gene durch Calcitriol reguliert werden und welche Effekte es auf die Zellen ausübt, ist von Gewebe zu Gewebe unterschiedlich. Erkenntnisse und Hypothesen zu den zahlreichen Funktionen stammen insbesondere aus In-vitro-Versuchen (Zellkultur) und In-vivo-Experimenten im Maus-Modell sowie aus epidemiologischen Studien.
Eine der wichtigsten Funktionen des Calcitriols ist die Regulation des Calcium- und Phosphatstoffwechsels: Im Dünndarm wird es für die Absorption beider Mineralien benötigt, die ihrerseits essenziell für eine gesunde Knochenstruktur sind. Darüber hinaus scheint Calcitriol vor Autoimmun- und Krebserkrankungen zu schützen [1, 2, 3]. Das Hormon setzt zum einen der Reaktion des Immunsystems Grenzen, indem es die Entwicklung von dendritischen Zellen und regulatorischen T-Zellen beeinflusst. Auf diesem Weg leistet es einen wichtigen Beitrag zur sogenannten „Selbsttoleranz“ – der Fähigkeit des Immunsystems, körpereigene Moleküle als solche zu erkennen und nicht anzugreifen. Autoimmunerkrankungen, die einen Zusammenhang mit Vitamin-D-Mangel zeigen, sind zum Beispiel Multiple Sklerose und Diabetes Mellitus Typ I [1, 2]. Darüber hinaus sind auch einige Krebsformen mit dem Vitamin-D-Spiegel assoziiert, darunter Darm-, Brust-, und Prostata-Krebs [3, 4]. Die exakten molekularen Zusammenhänge sind bislang unklar. Doch beeinflusst Calcitriol sowohl den Zellzyklus als auch den zellulären Stoffwechsel und scheint dadurch einerseits die Zellteilung zu hemmen und andererseits einen kontrollierten Zelltod geschädigter, krankhafter Zellen zu fördern [3, 4]. Schließlich wird Calcitriol auch mit der Verringerung des Risikos in Verbindung gebracht, kardiovaskuläre oder neurologische/kognitive Beschwerden zu entwickeln [2, 5].
[1] Lucas R et al., F1000Prime Reports 2014, 6:118. [2] Zittermann A & Gummert JF, Nutrients 2010, 2: 408-425. [3] Christakos S & DeLuca FH, Endocrinology 2011, 152(8): 2930-2936. [4] Narvaez CJ et al., Frontiers in Physiology 2014, 5:2013. [5] Fernandes de Abreu DA et al., Psychoneuroendocrinology 2009, 34: 265-277.