Teil II: Die Spende: Drei Stunden für ein Leben
„Stäbchen rein, Spender sein“ – Henriette glaubte wie viele von uns nicht daran, jemals Stammzellenspenderin zu werden. Doch ein paar Monate nach ihrer Registrierung im Oktober 2018 erhielt sie die Nachricht, dass ihre Gewebemerkmale zu denen eines erkrankten Menschen passen und sie womöglich ein Leben retten kann. Nach wochenlangen Voruntersuchungen und vorbereitenden Maßnahmen war es soweit: An einem Sonntagnachmittag ging es für Henriette mit der Bahn nach Köln. Da man nach der Spende das Krankenhaus nicht allein verlassen durfte, nahm sie ihre Kollegin Detta als Begleitperson mit, deren Kosten für den Aufenthalt und die Fahrten ebenfalls von der DKMS übernommen wurden. Zwei Stunden vor der Blutwäsche, der sogenannten Apherese, musste sich Henriette die letzte Spritze in doppelter Dosis verabreichen, um den Stammenzellenwert noch einmal zu vervielfachen. „Mein Tipp: Viel essen, dann kann nichts schiefgehen. Auch, wenn die Anspannung groß ist“, betont sie.
Im Krankenhaus wurde Henriette herzlich empfangen. Mit ihr warteten fünf weitere Spender auf ihren außergewöhnlichen Einsatz“. „Wir lagen jeweils zu zweit auf einem Zimmer und wurden rundum betreut. Das gab uns ein gutes und sicheres Gefühl.“ Nach einem kurzen Venencheck wurde Henriette eine Kanüle in die Ellenbeuge gelegt. Auf der anderen Seite erhielt sie einen Zugang, sodass das Blut aus dem einen Arm heraus und in den anderen Arm wieder hineinfließen konnte. Dabei fand die eigentliche Blutwäsche statt, bei der die Stammzellen herausgefiltert wurden. „Das geschieht durch regelmäßiges Pumpen alle zehn Sekunden. Wir konnten und mussten diesen Vorgang über einen kleinen Ball in der Hand selbst steuern. Alles verlief schmerzfrei.“ Nach drei Stunden war Henriettes Behandlung vorbei. Dabei wurden 9 Liter Blut gefiltert und 6 Millionen Stammzellen entnommen. „Die Zeit verging sehr schnell, wir konnten Filme gucken, essen und trinken. Zudem fand ich die ganzen Geräte als MTA natürlich sehr interessant. Wenn man den Vorgang der Blutwäsche nicht sehen möchte, muss man das aber auch nicht. Der Beutel und die Schläuche sind hinter der Liege aufgestellt.“ Bereits vier Stunden nach der Apherese, nach einem Mittagsschlaf und einer Tafel Schokolade, war Henriette wieder fit. „Man verliert ein paar Elektrolyte und Monozyten. Die erhält man in Form von Kalium- und Kalziumtabletten nach der Behandlung zurück, sodass der Kreislauf schnell wieder stabil ist.“
Damit war Henriettes Spende vollbracht. Ein letzter Anruf aus dem Krankenhaus bestätigte ihr, dass ausreichend Stammzellen entnommen werden konnten. Doch wo gehen diese eigentlich hin? Auch Henriette stellte sich die Frage, wer ihr „genetischer Zwilling“ sein könnte. Mit der Nachricht, dass ihre Stammzellen ausreichen, durfte sie die DKMS anrufen und erhielt die Eckdaten des Empfängers: Ihr Blut ging an eine Frau aus Spanien. Da die rechtlichen Bedingungen dort anders sind als in Deutschland, hätte sie einmalig über einen Brief mit der Empfängerin in Kontakt treten können. Die persönlichen Daten wären dabei verschlüsselt übermittelt worden. Henriette hat sich dagegen entschieden. „Von einer persönlichen Nachricht habe ich abgesehen. Ich selbst empfinde meine Spende nicht als Heldentat. Aber ich habe mich sehr gefreut zu erfahren, dass sie erfolgreich war.“ Nach fünf Monaten bekam Henriette Post mit der Nachricht, dass die Patientin aus Spanien bereits aus der Klinik entlassen werden konnte und auf dem Weg der Besserung ist. Henriette möchte auch andere motivieren, sich registrieren zu lassen. „Von weltweit 9 Millionen potenziellen Spendern, die in der DKMS-Kartei sind, konnten bisher nur knapp 80.000 ihr Blut spenden. Im Krankenhaus habe ich eine Deutschlandkarte mit den registrierten Einwohnern gesehen. Das war definitiv zu wenig. Hier muss mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden“. Deshalb ermutigt Henriette im Alltag Familie, Freunde und Kollegen. Sie erzählt ihnen ganz offen, wie sie die Stammzellenspende erlebt hat, welche Risiken es gibt – und dass es einem am Ende verhältnismäßig wenig abverlangt, dafür, dass man ein Leben retten kann.
Teil I des Beitrages verpasst? Lesen Sie hier, was vor der Spende passiert und Henriette von der Registrierung bis zur Voruntersuchung erlebt hat.
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