Gastbeitrag:
Fünfter Beitrag der Artikelreihe:
Moderne Mykologie in der Dermatologie
von Herrn Prof. Hans-Jürgen Tietz, Leiter des Instituts für Pilzkrankheiten, Berlin
Das Thema „Corona“ ist weiterhin in aller Munde. Im Windschatten des Virus breiten sich jedoch auch andere Erreger aus. Einige profitiere von der Pandemie, darunter auch Pilzerreger. Ein Paradebeispiel für die Zunahme von Mykosen sind Pilzinfektionen durch anthropophile Erreger wie T. rubrum, C. albicans, C. auris bei COVID-19-Patienten in den USA, M. furfur, aber auch zoophile Keime wie T. benhamiae – insbesondere bei Kindern.
Die Gefahr während eines Lockdowns geht bei diesen Erregern von häuslicher Enge und den dadurch intensiveren Kontakten der Kinder zu Infektionsquellen wie Eltern, Großeltern und Haustieren aus. Mama und Papa kümmern sich dabei weniger um die Therapie Ihres Fuß- oder Nagelpilzes als in Friedenszeiten. Teils aus Angst, sich in Apotheken oder in Sprechzimmern mit COVID-19 anzustecken, teils standen sie vor geschlossenen Hautkliniken und Arztpraxen, die sich in Kurzarbeit befanden.
Kinder suchten in dieser psychisch bedrückenden Isolation auch mehr als sonst Trost bei ihren Haustieren: „Der Oskar ist doch der einzige, der mich versteht“.
Die Folge sind Mykosen, die unerkannt oder kaum behandelt persistieren und sich verschlimmern können. Hierzu gehört die Tinea capitis durch Meerschweinchen. Die Tiere können Quelle von zwei Erregern sein, die zum Kopf wandern: T. mentagrophytes und T. benhamiae, der im Zuge der mikrobiellen Globalisierung über Skinny pigs aus Japan zu uns kam.
Die Tinea capitis gilt als schwierige Erkrankung, weil die Klinik oft schwer ist, die Erkrankung nahezu ausschließlich Kinder betrifft und stets auch systemisch behandelt werden muss. Sie ist auch ein diagnostisches Problem, da Kinder, die zum Dermatologen kommen, häufig vorbehandelt sind. Eine Kultur gelingt dann oft nicht mehr, obwohl die Infektion nicht heilt.
Schwierig ist auch die kulturelle Diagnostik bei langsam wachsender Erregern wie T. violaceum oder T. verrucosum. Trotz bildschöner Kulturen, wie im Fall von T. benhamiae ist dieser konventionell nur schwer identifizierbar (s. Titelbild). Die Lösung all dieser diagnostischen Probleme ist die PCR. Im Unterschied zu einer Kultur ist sie binnen 48 Stunden positiv und eindeutig. Eine Revolution auch in klinischer Hinsicht. Denn zu spät diagnostizierte Infektionen können bei der Tinea capitis zur Bildung von Narben auf dem Kopf führen. Für Kinder ein bleibendes Trauma.
Nicht zu unterschätzen ist auch das breite Erregerspektrum. Es reicht von Klassikern wie M. canis bis zu „Exoten“ wie M. audouinii oder T. soudanense. Auch der Erreger des Favus, T. schoenleinii, klopft wieder an die Tür. Nirgendwo in der Mykologie ist das Keimspektrum so breit, wie bei einer Tinea capitis. Die EUROIMMUN-Microarray-PCR erfasst alle in Frage kommenden Erreger!
Das Fundament der Therapie ist eine gründliche lokale in Kombination mit der inneren Behandlung. Sie erfolgt bis zur klinischen und mikrobiologischen Heilung. Idealerweise angezeigt durch eine negative PCR, damit kein Rezidiv und keine weiteren Übertragungen entstehen, was im Fall hochansteckender Erreger wie M. canis und M. audouinii besonders wichtig ist. Solche Keime können Epidemien auslösen.
Vielen Dermatologen ist noch die „Kopfpilz-Epidemie“ in Bonn in Erinnerung, die von 2015 bis 2018 währte. Auslöser war M. audouinii, der Erreger der „Waisenhauskrankheit“, der sich bevorzugt bei Kindern in engen Räumen ausbreitet. Den Erreger mittels PCR schnell zu stellen und nachverfolgen zu können, ist ein weiteres Privileg der Gendiagnostik, auch bei hochansteckenden Pilzerregern. Sie ist damit auch ein wertvolles Instrument zur Epidemie-Bekämpfung. Dieses wird zunehmend auch von Veterinären genutzt wird, wofür unsere kleinen Patienten und deren Familien dankbar sind: „Mein Haare wachsen wieder und der Oskar konnte auch bei uns bleiben“. Ein wichtiger Freund, nicht nur in diesen Zeiten.
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