Eine fiktive Geschichte:
Unbestimmte Symptome…
Schon seit Wochen fühlt sich Lisa M. (36) sehr erschöpft, hat Gliederschmerzen und leichtes Fieber. Zunächst dachte sie, es handele sich um eine leichte Grippe. Die Beschwerden wurden zunächst besser. Jetzt kommen sie mit neuem Schwung zurück: Die Muskeln und Gelenke brennen, besonders nachts, und sie hat starke Kopfschmerzen und gelegentlich sogar leichte Sehstörungen. Ihr ist schwindelig, die Beine fühlen sich taub an, genauso wie die linke Gesichtshälfte. Und seit heute Morgen hängt ihr linker Mundwinkel herunter – wie nach einer Betäubungsspritze beim Zahnarzt.
Es ist höchste Zeit, zum Arzt zu gehen. Die Symptome sind uneindeutig und der Arzt muss zunächst einige Tests machen, bevor er sich sicher sein kann. Aber er hat einen Verdacht.
…Verdacht Neuroborreliose…
Die Neuroborreliose wird von Bakterien (Borrelia burgdorferi) ausgelöst, die durch einen Zeckenstich auf den Menschen übertragen werden können. Oft zeigt sich als erstes charakteristisches Anzeichen einer Borrelieninfektion die Wanderröte (Erythema migrans) – eine kreisrunde Rötung um den Zeckenstich, die immer größer wird und später auch an anderen Stellen des Körpers auftauchen kann (Stadium I).
An einen Zeckenstich auf der Innenseite des linken Oberschenkels kann sich Lisa M. tatsächlich erinnern, aber der liegt bestimmt schon drei Monate zurück. Die typische Wanderröte hat sie allerdings nicht beobachtet – sonst wäre sie sofort zum Arzt gegangen.
Was Lisa M. jedoch nicht wusste: Die Wanderröte tritt nur in etwa der Hälfte der Fälle akuter Neuroborreliose auf. Nach dem Zeckenstich breiten sich die Borrelien unbemerkt im Körper aus und befallen das Nervensystem (Stadium II) – daher der Name Neuroborreliose. Im Zuge der Erkrankung können sich Hirn- und Rückenmarkshäute, Nervenstränge, Nervenwurzeln oder sogar das Gehirn selbst entzünden, was zu den Schmerzen und Lähmungserscheinungen führt. Eine schnelle Diagnose ist wichtig, um die Patienten optimal zu behandeln.
…und eine sichere Diagnose
Von einer akuten Neuroborreliose spricht der Arzt erst, wenn er zusätzlich zu den neurologischen Beschwerden noch andere typische Anzeichen der Borrelien-Infektion entdeckt hat. Dazu gehört der Nachweis von Antikörpern gegen Borrelien in der Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) des Patienten, die vom Immunsystem zur Abwehr der Infektion produziert werden.
Für die Antikörper-Herstellung benötigt das Immunsystem allerdings sieben bis zehn Tage, weshalb besonders bei Infektionen, die sich noch in einem frühen Stadium befinden, keine Anti-Borrelien-Antikörper im Liquor entdeckt werden können. Deshalb wird die Neuroborreliose manchmal nicht gleich erkannt. Ein Botenstoff des Immunsystems – das Chemokin CXCL13 – kann helfen, eine akute Neuroborreliose schnell zu diagnostizieren. Die CXCL13-Konzentration ist im Liquor von Neuroborreliose-Patienten stark erhöht – sogar schon zu Beginn der Infektion, lange bevor Anti-Borrelien-Antikörper gebildet werden. Deshalb ist CXCL13 ein vielversprechender neuer Frühmarker für eine akute Neuroborreliose
Der Verdacht des Arztes bestätigt sich schließlich, als er die Testergebnisse der Untersuchung von Lisa M. aus dem Labor erhält: Im Liquor wurden Antikörper gegen Borrelien gefunden und auch die gemessene CXCL13-Konzentration ist deutlich zu hoch. Lisa M. wird in den kommenden Wochen mit Antibiotika behandelt. Auch bei der Therapie-Überwachung kann CXCL13 helfen: Nimmt der CXCL13-Spiegel rasch ab, ist dies ein gutes Zeichen für eine erfolgreiche Behandlung und einen Rückgang der Neuroborreliose.