Leitlinien zur Diagnostik von Pemphigus und Pemphigoid

Pemphigus- und Pemphigoid-Erkrankungen sind blasenbildende Autoimmunkrankheiten der Haut und angrenzender Schleimhäute (bullöse Autoimmundermatosen, AID). Antikörper, die gegen Proteine der Zell-Zell-Verbindungen in der Epidermis gerichtet sind, verursachen entweder die Auflösung des Zellverbandes (Pemphigus) oder eine Ablösung der Oberhaut (Pemphigoid). Spezifische Zielantigene des Pemphigus sind die desmosomalen Proteine Desmoglein 1 und 3. BP180 und BP230, Proteine der Hemidesmosomen, sind die häufigsten Zielantigene bei Pemphigoid-Erkrankungen. Vergangenes Jahr hat die Deutsche Dermatologische Gesellschaft zusammen mit dem Berufsverband der Deutschen Dermatologen e.V. erstmals Richtlinien für den Nachweis und die Behandlung ausgewählter AID herausgegeben.

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Ein Interview mit Prof. Dr. Dr. Enno Schmidt von der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (Campus Lübeck), Co-Autor der S2k-Leitlinien.

Was beinhaltet die Leitlinie und an wen richtet sie sich?

Wir haben erstmals eine deutsche Leitlinie für die Diagnostik und die Therapie des Pemphigus vulgaris (PV), des Pemphigus foliaceus (PF) und des bullösen Pemphigoids (BP) erstellt. BP ist die mit Abstand häufigste Form der bullösen AID, mit etwa 15 bis 20 Neuerkrankungen pro Jahr pro 1.000.000 Einwohner in Deutschland. Bei Pemphigus sind es etwa ein bis zwei Neuerkrankungen. Wir haben die verfügbaren Daten geordnet und Empfehlungen für bestimmte Untersuchungen und Therapien ausgesprochen.

Die Leitlinie ist natürlich wichtig für Dermatologen, sowohl an den Kliniken als auch in der Niederlassung, aber auch für andere Fachärzte wie HNO-Ärzte und Gynäkologen, die ebenfalls auf AID-Patienten treffen können. Außerdem richtet sich die Leitlinie an die Laboratorien, die Seren und Hautproben zur Untersuchung zugeschickt bekommen. Mit ihrer Hilfe können sie entscheiden, welche Untersuchungen zu einem Zeitpunkt oder bei besonderen Fragestellungen sinnvoll sind. Das Ziel ist letztlich ein strukturierteres Vorgehen bei der Diagnostik und Behandlung des PV/PF und BP.

Wer hat über den Inhalt der Leitlinie entschieden?

Die Leitlinie ist eine Initiative der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. Sie hat die Teilnehmer beziehungsweise Autoren zur Erstellung der Leitlinie ernannt und eingeladen. Die meisten waren Mitarbeiter aus Universitätskliniken aber auch niedergelassene Dermatologen, ein Vertreter der Pädiatrie und ein Patientenvertreter.

In zwei Arbeitsgruppen wurden die Konzepte für die Diagnostik und die Therapie erarbeitet. Ich war als Arbeitsgruppenleiter für die Diagnostik eingesetzt. Auf einem Konsensus-Treffen sind wir dann alles Punkt für Punkt durchgegangen und haben über Verbesserungen und Änderungen abgestimmt. In der Leitlinie gibt es die blau unterlegten Blöcke. Das sind die Inhalte der Leitlinie, die konsentiert sind, denen also alle Autoren am Ende zugestimmt haben. So ein formaler Konsensus-Prozess ist entscheidend und Voraussetzung für eine S2k-Leitlinie. Die restlichen Texte sind Erklärungen, die von allen Autoren zur Kenntnis genommen wurden, über die wir aber nicht formal abgestimmt haben.

Wie lauten Ihre Empfehlungen für die Diagnostik der Pemphigus-/Pemphigoid-Erkrankungen?

Der Ausgangspunkt ist natürlich die Klinik, das heißt das Erscheinungsbild und die Aktivität der Krankheit. Die anschließende Basisdiagnostik beruht dann auf drei Säulen:

Erstens: die direkte Immunfluoreszenz (IF), eine Untersuchung, bei der Autoantikörper auf einer Hautprobe direkt visualisiert werden. Wenn diese Untersuchung positiv ist, kann im Grunde bereits eine Pemphigus- oder Pemphigoid-Erkrankung diagnostiziert werden. Aber sie erlaubt oft nicht, die verschiedenen Formen der Krankheiten zu unterscheiden.

Dafür ist dann als zweites die serologische Untersuchung, also die Identifizierung der Autoantikörper sehr wichtig, da sie spezifisch für die einzelnen Erkrankungen sind.

Und zum dritten gibt es noch die Histopathologie zur Untersuchung der Gewebeveränderungen. Diese ist vor allem dann hilfreich, wenn die direkte IF und die Serologie negativ sind. Dann liegt keine bullöse AID vor, aber eben eine andere Hauterkrankung.

Welchen Stellenwert hat der serologische Antikörpernachweis für die Diagnostik von Pemphigus-/Pemphigoid-Erkrankungen?

Die Serologie ist mit den sehr sensitiven und spezifischen Testsystemen, die mittlerweile verfügbar sind, eine wichtige Säule geworden. In schätzungsweise 90 Prozent der Fälle kann die Diagnose schon anhand der Serologie gestellt werden.

Die Leitlinie empfiehlt einmal die indirekte IF auf Ösophagus-Gewebe (Affe) bei Pemphigus (PV/PF) und zusätzlich auf humaner Spalthaut bei Verdacht auf BP. Und dann gibt es noch die antigenspezifischen Untersuchungen auf Autoantikörper gegen die Proteine BP180 und auch BP230 bei BP sowie gegen Desmoglein 1 und 3 im Falle von PF/PV. Dafür schlagen wir den EUROIMMUN IF-Test auf transfizierten Zellen (BIOCHIP-Mosaike) sowie die monospezifischen ELISA-Systeme vor. Außerdem spielt die Serologie in der Verlaufsdiagnostik eine wichtige Rolle, da die Titer, außer bei BP230, sehr gut mit der Krankheitsaktivität korrelieren. Die Antikörperlevels können deshalb zur Überwachung der Krankheiten regelmäßig mit den ELISA bestimmt werden.

Die serologische Untersuchung ist also zur Unterscheidung der einzelnen Erkrankungen und dann vor allem auch im Follow-up der Patienten von großer Bedeutung.

Warum ist die Unterscheidung der einzelnen Krankheitsformen wichtig?

Weil die Erkrankungen unterschiedlich behandelt werden müssen und auch ganz andere Prognosen haben. Der Pemphigus ist viel schwieriger zu behandeln als beispielsweise BP und wird mit viel höheren Medikamentendosen therapiert. Auch innerhalb der Pemphigoid-Erkrankungen sprechen die verschiedenen Typen unterschiedlich auf die Behandlungen an.

Wie viele Patienten mit Pemphigus-/Pemphigoid-Erkrankungen behandeln Sie durchschnittlich pro Jahr?

Derzeit haben wir in Lübeck etwa 80 Patienten mit Pemphigus und über 100 mit einer Pemphigoid-Erkrankung. Die Patientenzahlen nehmen aber stetig zu, vor allem bei Pemphigus und Schleimhaut-Pemphigoid, weil diese Patienten aus ganz Deutschland zu uns kommen. Bei BP handelt es sich meist um ältere Patienten, die aus der Region kommen. Sie sind stärker auf eine Behandlung in der näheren Umgebung angewiesen.

Werden die Erkrankungen in der Hautklinik Lübeck bereits nach den Empfehlungen der Leitlinie diagnostiziert?

Hier in Lübeck führen wir die Diagnostik im Grunde bereits seit den letzten zehn Jahren den Leitlinien entsprechend durch, so wie andere Referenzzentren auch. Letztlich waren alle Experten auf diesem Gebiet auch an der Erarbeitung der Leitlinien beteiligt und haben die relevante Literatur, auf der sie basiert, zum Teil mit verfasst. Diese Standards haben wir nun für alle anderen Dermatologen oder eben auch andere Fachärzte in den Leitlinien verschriftlicht und zugänglich gemacht.

Was erhoffen Sie sich für die Zukunft von der Diagnostik-Leitlinie?

Patienten sollen weder unter- noch überdiagnostiziert werden. Wenn ein niedergelassener Dermatologe in seiner 30-jährigen Karriere einen Pemphigus-Patienten und vielleicht zwei bis drei Mal pro Jahr einen Patienten mit Verdacht auf BP hat, und wenn er bei diesen Patienten die entsprechende Serologie und die direkte IF veranlasst, dann haben wir mit diesen Leitlinien bereits viel erreicht.

 

S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Pemphigus vulgaris / foliaceus und des bullösen Pemphigoids“, AWMF-Register-Nummer (013-071)

 

 

 

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