Britta Brix kam 2012 zu EUROIMMUN und leitet seit 2013 die Abteilung für die Diagnostik neurodegenerativer Erkrankungen, mit einem Schwerpunkt auf Alzheimer. In unserem Interview berichtet sie davon, warum sie dieses Thema so interessiert und auf welche Weise sie sich als Mitarbeiterin bei EUROIMMUN für eine bessere Diagnostik dieser schweren Erkrankung engagiert.
Wie bist Du zu dem Thema Alzheimer-Diagnostik bzw. Deiner Aufgabe im Unternehmen gekommen?
Ich fand es schon immer faszinierend, dass sich unser Denken und Sein auf molekulare Vorgänge im Gehirn runterbrechen lässt. Bereits während meiner Promotion beschäftigte ich mich also mit dem Thema Neurologie. Und deswegen wurde ich bei EUROIMMUN auch zunächst in der neuroimmunologischen Forschung eingesetzt. Das war allerdings nur von kurzer Dauer: Denn es wurde jemand gebraucht, der das Projekt „Alzheimer-Diagnostik“, das gerade mit unserem Kooperationspartner ADx NeuroSciences aus Belgien neu gestartet wurde, betreute. Und dieser jemand war dann ich.
Was beschäftigt Dich an der Thematik so sehr?
Am Anfang war die Etablierung der Alzheimer-Diagnostik bei EUROIMMUN tatsächlich einfach ein sehr spannendes Projekt. Die Herausforderung in den ersten Jahren lag vor allem darin, die Liquor-Diagnostik, also die Diagnose einer Alzheimer-Erkrankung anhand der Bestimmung von Biomarkern im Nervenwasser, aus der Forschungsecke in die Routine der Diagnostiklabore zu bringen. Dafür war es notwendig, international Kontakte zu verschiedenen Meinungsbildnern, Pharmafirmen und Klinikern aufzubauen und EUROIMMUN als verlässlichen, neuen Partner in diesem Feld bekannt zu machen.
Je mehr Studien ich aber las, je mehr Krankenhäuser und Gedächtniszentren ich besuchte, desto bewusster wurde mir, dass hinter jedem Studienteilnehmer ein echter Mensch mit einer Demenzerkrankung steht. Dieser Mensch und seine Familie verdienen eine gründliche Diagnostik anhand derer die Zukunft für sie planbarer werden kann – leider immer noch keine Selbstverständlichkeit. Auch heute bekommt nur etwa jeder dritte Demenzerkrankte in Deutschland eine echte Diagnose.
Hast Du auch einen persönlichen Bezug zum Thema Alzheimer?
Ja, in meiner Familie gab und gibt es unterschiedliche Fälle von Demenz. Meine Oma ist beispielsweise mit einer Demenz im Endstadium verstorben. Es ist erschütternd zu sehen, dass bei vielen dieser Patienten – jenseits von universitären Gedächtniszentren – immer noch keine ausreichende Diagnostik stattfindet. Das hat nicht nur Konsequenzen für den Patienten, sondern hat auch Auswirkungen auf die pflegenden Ehepartner, die einerseits womöglich selber Hilfe benötigen, andererseits aber vielleicht auch noch gemeinsam mit dem Partner Pläne machen wollen. Viele Verhaltensweisen sind einfach leichter zu akzeptieren, wenn man weiß, dass diesen eine konkrete Erkrankung zu Grunde liegt.
Auf welche Weise leistet EUROIMMUN einen Beitrag zur Erforschung und Diagnostik von Alzheimer?
Eigentlich basiert unser Beitrag zur Alzheimer-Diagnostik auf drei Säulen: Erstens, hochqualitative Produkte: Das Projekt „Alzheimer“ startete intern 2012 mit der Entwicklung von vier ELISA für die Liquor-Diagnostik. Bei der Entwicklung haben wir sehr viel Wert darauf gelegt, unsere Tests gegenüber solchen, die es bereits auf dem Markt gab, zu verbessern. Zum Beispiel haben wir darauf geachtet, die Abarbeitungsprotokolle der ELISA untereinander zu vereinheitlichen. So können die Tests leicht automatisiert und damit standardisiert abgearbeitet werden. Auf diese Weise können dann im Rahmen von Studien oder auch in der Routinediagnostik womöglich vergleichbarere und somit auch verlässlichere Daten generiert werden.
Zweitens, aktive Teilnahme an der Forschung und Beteiligung an Studien und in Gremien: Wir haben über die Jahre sehr viele verschiedene Forschungsprojekte sowohl mit unseren Tests als auch mit unserer Expertise unterstützt und vorangetrieben, was sich durchaus in der Zahl an Publikationen zum Thema wiederspiegelt, an denen wir maßgeblich oder im Hintergrund beteiligt waren – insgesamt über 100 Publikationen, von denen ich bei 20 auch Ko-Autor bin. Zudem leisten wir viel Gremienarbeit.
Drittens, Schulungen in Routinelaboren: Ich bin in den vergangenen Jahren sehr viel gereist und habe Routinelabore und Einrichtungen weltweit besucht und das Personal in der Alzheimer-Diagnostik und den Umgang mit unseren Produkten geschult.
Ein großer Erfolg unserer Arbeit ist zum Beispiel, dass heute in der Routine weniger allein die Konzentration des Biomarkers Beta-Amyloid 1-42 als Indikator für das Vorliegen einer Alzheimer-Erkrankung verwendet wird, als vielmehr den deutlich spezifischeren Quotienten Beta-Amyloid 1-42/Beta-Amyloid 1-40, also das Verhältnis der zwei Beta-Amyloidformen. Denn während das individuelle Beta-Amyloid-Level von Person zu Person unterschiedlich ausfällt und die messbare Konzentration von Beta-Amyloid zusätzlich sehr stark durch äußere Faktoren beeinflusst sein kann, ist das Verhältnis der zwei Beta-Amyloidformen sehr stabil und auch zwischen Patienten vergleichbar. Natürlich gab es im Feld bereits Stimmen, die für die Verwendung des Quotienten geworben hatten, aber EUROIMMUN war der erste Hersteller, der zusätzlich zum Beta-Amyloid 1-42-ELISA einen verlässlichen ELISA zur Konzentrationsmessung von Beta-Amyloid 1-40 auf den Markt gebracht, entsprechende Studien durchgeführt und viel Arbeit investiert hat, um die verbesserte Diagnostik mithilfe des Quotienten bekannt zu machen. Heute ist es schön zu sehen, dass sich diese Arbeit gelohnt hat.
In welchen Gremien bist Du aktiv?
Wir sind vor allem im Rahmen der Alzheimer’s Association Global Biomarker Standardization Consortium (GBSC) in verschiedenen Arbeitsgruppen aktiv bzw. haben diese zum Teil sogar ins Leben gerufen. Außerdem engagieren wir uns im Public Private Scientific Board (PPSB) der Alzheimer’s Disease Neuroimaging Initiative (ADNI).
Mit welchen Themen beschäftigt sich das GBSC?
Das GBSC setzt sich aus Teilnehmern aus der Pharmaindustrie, Wissenschaftlern, Klinikern und Vertretern der Diagnostik zusammen. Das übergeordnete Ziel des Gremiums ist die Standardisierung der diagnostischen Biomarker.
Dazu muss man wissen, dass es für keinen der vier Liquor-Biomarker – Tau, P-Tau, Beta-Amyloid 1-42 und Beta-Amyloid-Quotient – global geltende Cut-offs gibt. Das bedeutet, als das Gremium gegründet wurde, waren die Werte, die in Studien erhoben wurden, nicht vergleichbar, sondern herstellerabhängig. Hinzu kommt, wie oben bereits erwähnt, dass die messbare Beta-Amyloid-1-42-Konzentration sehr anfällig gegenüber äußeren Einflüssen ist. Je nachdem, wie die Probe behandelt wurde, können also sehr unterschiedliche Werte für ein und denselben Patienten gemessen werden. Das zusammen ist natürlich ein großes Problem für die Pharmaindustrie, die irgendwie geeignete Probanden, also Patienten mit Alzheimer, für ihre Zulassungsstudien identifizieren muss.
Es gab und gibt für dieses Konsortium also einen ganzen Berg an Problemen zu lösen. Das wäre nicht von einem Stakeholder alleine zu leisten, sondern hier muss wirklich zusammengearbeitet werden. Und das war bisher auch ganz erfolgreich: Es wurde inzwischen ein Referenzmaterial für Beta-Amyloid 1-42 entwickelt und veröffentlicht, an dem die Testsysteme aller Hersteller ausgerichtet werden können. Außerdem wurde vor kurzem – basierend auf vielen Studien – eine Empfehlung zum Handling der Liquorproben veröffentlicht. Beides sollte zu einer Vereinheitlichung der gemessen Werte des Beta-Amyloid 1-42 führen.
Wie sieht Deine Gremienarbeit konkret aus?
Das ganz GBSC tagt zwei bis drei Mal im Jahr, in Präsenz oder online. Die verschiedenen Arbeitsgruppen stellen bei diesen Treffen ihre Fortschritte vor und die Ergebnisse werden diskutiert.
Gerade diese Diskussionen sind wichtig, um sicherzustellen, dass eine Entwicklung, wie zum Beispiel die Empfehlung zum Probenhandling, in die richtige Richtung geht und auch in der Praxis umsetzbar ist. Wir haben beispielsweise immer wieder stundenlang darüber diskutiert, wie die Empfehlung für die zu verwendenden Probenröhrchen aussehen soll.
Ich persönlich schätze es auch, dass man im Rahmen der Vorträge Vorschläge machen kann, aus denen sich dann neue Arbeitsgruppen bilden. Weil wir uns hier in einem „pre-competitive“ Bereich befinden, können wir hier sogar mit Konkurrenten wie Roche zusammenarbeiten. Eine Arbeitsgruppe, die ich gestartet habe, bestehend aus Roche, Fujirebio, Meinungsbildnern und EUROIMMUN, führt Studien durch, in denen untersucht wird, wie gut die verschiedenen Beta-Amyloid-1-42-Tests nach der Anpassung an das Referenzmaterial wirklich übereinstimmen.
Konnte Deine Arbeit und die der beteiligten Kollegen in den letzten Jahren schon zu entscheidenden Fortschritten beitragen?
Vor dem Hintergrund, dass es neue Behandlungsmöglichkeiten gibt, wird eine verlässliche Biomarkerdiagnostik wichtiger denn je. Denn nur wenn die Patienten frühzeitig in der Erkrankung und vor allem zu Lebzeiten eine vernünftige Diagnose bekommen, ergeben neue Medikamente und Behandlungsansätze überhaupt einen Sinn. Die Arbeiten der letzten Jahre, gerade an der Standardisierung und der Einführung des Amyloid-Quotienten, haben hierzu einen deutlichen Beitrag geleistet und zu einer verbesserten Diagnostik von Alzheimer beigetragen.
Vielen Dank, Britta, dass Du uns einen Einblick in Deine Arbeit gewährt hast!
BROCHÜRE „PRÄANALYTIK IN DER DEMENZDIAGNOSTIK“:
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