Unser Körper, speziell der Darm, wird durch eine große Anzahl verschiedener Bakterien besiedelt – zehnmal mehr als unsere körpereigenen Zellen. Diese auf den ersten Blick beängstigende Überbevölkerung erfüllt wichtige Funktionen. Denn obwohl Bakterien vor allem mit Krankheiten in Verbindung gebracht werden, sind die meisten von ihnen für den Menschen harmlos oder sogar nützlich. So spielt die Interaktion zwischen der gesunden Darmmikrobiota (früher: Darmflora) und dem Wirt eine entscheidende Rolle, zum Beispiel bei der Verdauung, dem Abbau von Giftstoffen, dem Schutz vor Pathogenen und der Entwicklung des Immunsystems. Bei Letzterem ist die Mikrobiota von besonders großer Bedeutung.
Mit der ersten Besiedlung des gastrointestinalen Traktes nach der Geburt wird das Immunsystem darauf „trainiert“, die „guten“ (kommensalen) Bakterien zu tolerieren und die „schlechten“ (pathogenen) zu eliminieren. Bei genetisch prädisponierten Menschen kann ein Ungleichgewicht zwischen den Immunzellen und den Bakterien in der Darmschleimhaut jedoch dazu führen, dass die kommensalen Bakterien nicht mehr toleriert werden und eine Immunreaktion auslösen. Diese äußert sich u. a. in der Entzündung des Gewebes und der Bildung von Antikörpern – sowohl gegen körpereigene Proteine als auch gegen die Mikroorganismen im Darm. Die häufigsten Formen solcher chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (chronic inflammatory bowel disease, CIBD) sind Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU).
Bei MC kann die Entzündung den gesamten Verdauungstrakt betreffen, am häufigsten den Dick- und den unteren Dünndarm. Typische Beschwerden sind Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen sowie Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit und auch Fieber. In nahezu jedem zweiten Patienten treten außerdem extraintestinale Symptome auf, am häufigsten Gelenkschmerzen und Hautveränderungen. Mit einer Prävalenz von etwa 70% gelten Antikörper gegen die Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae als wichtige Indikatoren für MC. Bei etwa 40% der Patienten können im Serum außerdem Autoantikörper gegen die azinösen Zellen der exokrinen Bauchspeicheldrüse (Pankreas) nachgewiesen werden (Pankreas Autoantikörper, PAb). Sie gelten ebenfalls als kennzeichnend für die Erkrankung und werden in der indirekten Immunfluoreszenz auf Gewebeschnitten des humanen Pankreas nachgewiesen. 2012 konnten die Zielantigene der PAb identifiziert werden (Komorowski et al. J Crohn’s Colitis 2012) . Es handelt sich dabei um zwei glykosylierte Membranproteine, GP2 und CUZD1, die in den sekretorischen Vesikeln der Pankreaszellen lokalisiert sind. Beide Proteine gehören zu Proteinfamilien, deren Vertreter unter anderem eine Rolle in immunregulatorischen Prozessen spielen, weshalb auch GP2 und CUZD1 eine Funktion bei der Homöostase zwischen Toleranz und Abwehr der Bakterien im Darm haben könnten. Mit der Identifizierung der Autoantigene war es möglich, neue Immunfluoreszenztests auf Basis rekombinanter Zellsubstrate zu entwickeln. Die transfizierten Zelllinien exprimieren GP2 bzw. CUZD1 und erlauben eine genaue Bestimmung der PAb-Spezifitäten. Diese könnte helfen, MC-Patienten in Subgruppen zu gliedern, die mit unterschiedlichen Krankheitsbildern assoziiert sind. Eine aktuelle Publikation von Papp et al. (J Crohn’s Colitis, 9(8): 659-68, 2015) beschreibt, dass Anti-GP2-Antikörper beispielsweise häufiger in Patienten gefunden wurden, die bereits im Kindesalter an MC erkrankten. Außerdem war das Auftreten der Antikörper mit ausgedehnteren Entzündungsreaktionen, besonders im Dünndarm (Ileum) assoziiert, während Anti-CUZD1-Antikörper häufiger in Patienten mit Entzündungen im Dickdarm (Kolon) gefunden wurden.
Im Unterschied zu MC ist bei CU nur der Dickdarm entzündet. Die Folge sind vor allem Durchfall, Darmblutungen und Koliken. Beschwerden außerhalb des Verdauungstraktes betreffen auch bei dieser Erkrankung vorwiegend Gelenke und Haut sowie Augen und Leber. Autoantikörper gegen intestinale Becherzellen und gegen cytoplasmatische Komponenten neutrophiler Granulocyten (ANCA) gelten als wichtige Marker für CU. Anti-Becherzellen-Antikörper finden sich ausschließlich in CU-Patienten, ihre Prävalenz liegt bei knapp 30%. Der Nachweis erfolgt mithilfe der indirekten Immunfluoreszenz auf Darmgewebe (Primat) oder auf kultivierten intestinalen Becherzellen. ANCA, speziell perinukleäre ANCA (pANCA) tauchen bei bis zu 70% der Patienten auf. Vorherrschendes Zielantigen ist DNA-gebundenes Lactoferrin (Teegen et al, Ann NY Acad Sci 1173: 161–165, 2009). Für den Nachweis der Anti-Lactoferrin-Antikörper ist es entscheidend, dass das Protein an DNA gebunden ist – eine Voraussetzung, die in vielen Anti-Lactoferrin-ELISA nicht gegeben ist. Deshalb wurde ein sensitiveres Lactoferrin-spezifisches Substrat für die Immunfluoreszenz entwickelt: Eine Hochsalzpuffer-Behandlung entfernt zunächst alle Zielantigene der pANCA (die DNA bleibt intakt) aus den Granulocyten, die anschließend wieder mit Lactoferrin versetzt werden. Diese spezifische Vorbereitung des Substrates verhindert störende Antikörperreaktivitäten mit anderen Antigenen, wodurch die Sensitivität des Immunfluoreszenztests gegenüber den monospezifischen Anti-Lactoferrin-ELISA deutlich gesteigert werden konnte – im Falle der Studie von Teegen et al. von ca. 5% auf über 70%.
Das BIOCHIP-Mosaik CIBD-Profil 3 kombiniert alle relevanten Substrate in einem Test: Die Pankreas-Antigene GP2 und CUZD1 in Form transfizierter Zelllinien, Saccharomyces cerevisiae, Darm- und Pankreasgewebe, intestinale Becherzellen, Granulocyten und Lactoferrin-spezifische Granulocyten. Die Multiparameter-Diagnostik ermöglicht einen gezielten Nachweis der CIBD und unterstützt den Arzt bei der Differenzierung zwischen den symptomatisch sehr ähnlichen Darmerkrankungen MC und CU.