Autoimmunbedingte Kleinhirnataxien sind stark beeinträchtigende Erkrankungen, die durch eine gestörte Fähigkeit zur Koordination von Muskelbewegungen gekennzeichnet sind. Autoantikörper gegen zerebelläre Antigene dienen als nützliche Biomarker zur Unterstützung einer schnellen Diagnose, aber in vielen Fällen ist das Zielantigen der Autoantikörper noch nicht identifiziert worden.
Im Rahmen einer Kooperationsstudie zwischen Wissenschaftlern von EUROIMMUN (Lübeck, Deutschland), der Medizinischen Hochschule Hannover (Hannover, Deutschland) und weiteren Instituten und Kliniken wurde nun Diacylglycerol-Lipase alpha (DAGLA) als neuartiges Zielantigen von Autoantikörpern bei Patienten mit rasch fortschreitender Kleinhirnataxie identifiziert und charakterisiert. Zur Bestimmung des Antigens wurden Serum und Liquor (Liquor cerebrospinalis) von vier Indexpatienten, die unter ausgeprägter Gangataxie, Dysarthrie und Sehbehinderungen litten, einer umfassenden Antikörpersuche mittels indirekter Immunfluoreszenztestung (IIFT) unterzogen. Die Proben der vier Patienten zeigten alle eine charakteristische IgG-Reaktivität mit der Molekularschicht von Kleinhirn-Kryoschnitten. Die Autoantikörper banden ausschließlich an die Dendriten der Purkinje-Zellen. Für die Identifizierung des Zielantigens wurden Immunpräzipitation und Massenspektrometrie eingesetzt. Die Ergebnisse wurden u.a. mittels RC-IIFT (recombinant cell IIFT; IIFT mit Zellen, die ein rekombinantes Antigen exprimieren) bestätigt. Seren und Liquor der Indexpatienten riefen eine stark positive Reaktion auf dem Anti-DAGLA-RC-IIFT hervor, während auf den Kontrollzellen keine spezifische Antikörperbindung erkennbar war.
Weitere Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass es mindestens zwei Subtypen von Anti-DAGLA-Autoantikörpern gibt, die unterschiedliche Epitope zum Ziel haben. Die von den Autoren vorgeschlagene Teststrategie umfasst daher RC-IIFT unter Verwendung des DAGLA-Proteins in voller Länge und die Bestätigung positiver Ergebnisse durch RC-IIFT auf der Basis eines DAGLA-Fragments 1-582.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass im Liquor nachgewiesene Anti-DAGLA-Autoantikörper mit einem charakteristischen Gewebe-IIFT-Muster neuartige Biomarker für eine schnell fortschreitende Kleinhirnentzündung darstellen. Sie vermuten, dass eine frühere Diagnose der damit verbundenen neurologischen Störung, gefolgt von einer aggressiveren und längeren Immuntherapie, ein dramatisches Fortschreiten der Krankheit verhindern könnte.
Eine Pressemitteilung der Medizinischen Hochschule Hannover anlässlich der veröffentlichten Studie finden Sie hier: Medizinische Hochschule Hannover : Neue Erkrankung entdeckt: Wie das Immunsystem das Kleinhirn zerstört (mhh.de)
Oder lesen sie die gesamte Publikation im Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry: Miske R, Scharf M, Borowski K, et al. Identification of DAGLA as an autoantibody target in cerebellar ataxia. Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry Published Online First: 25 April 2024. doi: 10.1136/jnnp-2024-333458