Wenn sich die Haut (auf-)löst

Die Haut gilt als das größte und vielseitigste Organ des menschlichen Organismus. Sie hält Krankheitserreger und schädliche Substanzen davon ab, in unseren Körper einzudringen, schützt unser Inneres vor mechanischen Verletzungen oder gefährlicher Strahlung und verhindert den Verlust von zu viel Flüssigkeit und Elektrolyten. Gleichzeitig reguliert sie die Temperatur des Körpers, schützt ihn durch die Behaarung vor Unterkühlung und vermeidet seine Überhitzung, indem die eingelagerten Schweißdrüsen kühlenden Schweiß produzieren. Außerdem ist die Haut ein empfindliches Sinnesorgan, das ganz unterschiedliche Reize aus der Umwelt registriert und an das Nervensystem weiterleitet.

Doch die Funktion als sogenanntes Grenzorgan zwischen dem Körperinneren und der Umwelt macht sie besonders zugänglich für schädliche Einflüsse – sowohl von außen als auch von innen. Erkrankte Hautstellen sind meistens leicht erkennbar, da sie im Vergleich zur gesunden Haut verändert aussehen. Blasen sind beispielsweise ein deutliches Zeichen für eine Verletzung der Haut.

Bei den sogenannten blasenbildenden Autoimmundermatosen sind aber nicht etwa scheuernde Schuhe oder Verbrennungen für die Entstehung der Blasen verantwortlich, sondern das eigene, fehlgeleitete Immunsystem. Es produziert Antikörper, die gegen körpereigene Proteine in der Haut gerichtet sind. Diese Proteine sorgen im gesunden Menschen für den festen Zusammenhalt der Hautzellen und -schichten. Werden sie jedoch vom Immunsystem angegriffen, lösen sich die Zellverbände auf und die Haut und/oder die Schleimhäute werfen Blasen. Die Autoimmundermatosen sind seltene, aber schwere Hautkrankheiten, an denen je nach Form bis zu 20 Menschen pro 1.000.000 Einwohner und Jahr in Deutschland erkranken.

Pemphigus

Bei den Pemphigus-Erkrankungen lösen sich in Folge der Immunreaktion die Verbindungen zwischen den Zellen in der obersten Hautschicht (Oberhaut, Epidermis) auf. Die Antikörper richten sich gegen die Proteine Desmoglein 1 und/oder 3, welche wichtige Komponenten der Zellkontakte darstellen. Es entstehen schlaffe und flüssigkeitsgefüllte Blasen an der Oberfläche der Haut, die leicht platzen und zu großflächigen, nässenden und schmerzenden Wunden (Erosionen) führen können. Beim Pemphigus foliaceus ist ausschließlich die Körperhaut betroffen, während sich beim Pemphigus vulgaris auch Blasen in den Schleimhäuten, besonders häufig in der empfindlichen Mundschleimhaut, bilden. Beim paraneoplastischen Pemphigus treten die charakteristischen Hautveränderungen als Begleiterscheinung eines Tumors auf. Antikörper gegen die Proteinfamilie der Plakine können auf diese Form des Pemphigus hinweisen.

Typisch für Pemphigus-Erkrankungen ist, dass sich die Blasenbildung durch Schiebedruck auf zuvor gesund erscheinender Haut provozieren lässt (Nikolski-Phänomen I). Die finale Diagnose beruht schließlich auf der Untersuchung einer Hautprobe unter dem Mikroskop und dem Nachweis der entsprechenden Antikörper im Blut der Patienten.

Pemphigoid-Erkrankungen

Neben dem Pemphigus bilden die Pemphigoid-Erkrankungen die zweite große Gruppe der blasenbildenden Autoimmundermatosen. In ihrem Fall sind die Antikörper gegen Proteine gerichtet, die die Epidermis in der darunterliegenden Hautschicht (Lederhaut, Dermis) verankern. Durch die Immunreaktion lösen sich die Hautschichten voneinander ab.

Beim bullösen Pemphigoid (BP), der häufigsten Form der Autoimmundermatosen, entstehen so pralle Blasen in der oft stark gereizten und juckenden Körperhaut. Die Schleimhäute sind nur selten betroffen. Für die Diagnose des BP wird neben den Symptomen die mikroskopische Analyse einer Hautprobe berücksichtigt. Außerdem sollten den Patienten Blutproben entnommen werden, in denen sich in fast allen Fällen Antikörper gegen die Proteine BP180 und/oder BP230 nachweisen lassen. Beim Schleimhaut-Pemphigoid weisen, wie der Name vermuten lässt, vor allem die Schleimhäute Blasen auf. Neben Anti-BP180- Antikörpern lassen sich bei diesen Patienten unter Umständen auch Antikörper gegen ein weiteres Protein, das Laminin 332, nachweisen.

Epidermolysis bullosa acquisita (EBA)

EBA, ebenfalls eine bullöse Autoimmundermatose, ähnelt in ihrem klinischen Erscheinungsbild dem BP. Statt der Antikörper gegen BP180 oder BP230, sind bei dieser Erkrankung jedoch Antikörper gegen Kollagen Typ VII charakteristisch. Kollagen Typ VII bildet die sogenannten Ankerfibrillen in der Basalmembran, an denen die Oberhaut fixiert ist. Auch die Immunreaktion gegen die Ankerfibrillen führt deshalb zu einer Ablösung der Epidermis.

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